michaelthurm

Verwirrte Jugend – ÖH Wahl Uni-Graz 2011/Teil 1

Das ist nun der zweite Artikel zur ÖH-Wahl an der Karl-Franzens-Universität (KFU). Als FH-Student kann man da mit angenehmer Distanz drüber schreiben. Oder reden. So wie mit allen Spitzenkandidaten, die auf die Einladung reagiert haben, sich für das GeWitter interviewen zu lassen. Das GeWitter ist die Fakultätszeitschrift der Geisteswissenschaftlichen Fakultät an der KFU und hat mich gebeten diese Interviews für die Wahlausgabe zu führen. Hab ich gern gemacht. Umsonst, aber hoffentlich nicht vergeblich.

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Kein Mensch weiß, wie es mit den Universitäten weitergeht, wenn sie bis 2015 nicht mehr Geld bekommen. Kein Student weiß, was sein Bachelor wert sein wird und viele wissen nicht mehr, wie sie ihr Studium finanzieren sollen. Irgendwie sind wir alle betroffen, das macht betroffen und motiviert alle zwei Jahre wieder eine kleine Gruppe von Studierenden, sich innerhalb der ÖH zu engagieren. Aus unterschiedlichen Motiven und mit den unterschiedlichen Zielen versuchen sie zwischen gesellschaftspolitischen Grundsatzdebatten und konkreten Serviceleistungen eine bessere Universität zu gestalten.

Da hören die Gemeinsamkeiten im aktuellen ÖH-Wahlkampf aber auch auf. In den Interviews mit den Spitzenkandidaten der wahlwerbenden Gruppierungen zeigt sich, dass die alte Lagereinteilung in links und rechts noch längst nicht obsolet ist – auch wenn sich diese Haltungen nicht immer in konkrete Positionen umsetzen lassen.

Und auch das eklatante Problem der niedrigen Wahlbeteiligung scheint für die meisten Kandidaten und Kandidatinnen, die zur Wahl antreten, kein großes Problem zu sein. Und vielleicht besteht genau darin die Gefahr: Das nicht einmal in der studentischen Vertretung noch genügend Vertrauen in die repräsentativen Organe der ÖH besteht – Oder hat sich durch die Studierendenproteste der beiden letzten Jahre etwas geändert? Wir werden es wissen. Nach der Wahl.

Stefan Thum – FLUG

Als erstes treffe ich Stefan Thum, den Spitzenkandidaten der Fachschaftsliste (FLUG). Der 24-jährige ist stellvertretender Vorsitzender der FV Naturwissenschaften und studiert im 8. Semester Psychologie.

Stefan, die Fachschaftsliste (FLUG) hatte vier mal in Folge den ÖH-Vorsitz auf der KFU inne. Jetzt seid ihr trotz eures letzten Wahlsieges das erste Mal in der Opposition gewesen. Wie schwierig ist es aus dieser Position heraus Wahlkampf zu machen? Früher habt ihr immer damit geworben, was ihr in der ÖH erreicht habt. Das wird diesmal nicht funktionieren.
Es ist ja ein ziemlicher Irrglaube, dass man auf der ÖH nur etwas erreichen kann, wenn man in der Exekutive ist. Das mag für andere Fraktionen zutreffen, aber bei uns hat jeder in einer Studienvertretung angefangen. Ich bin zum Beispiel stellvertretender Vorsitzender der Fakultätsvertretung Naturwissenschaft (FV NaWi). Außerdem sitzen wir mit drei Studierenden im Senat und sitzen in den Curricula-Kommissionen, da kann man überall sehr viel erreichen.

Glaubst du, dass ihr mit dieser zum Teil sehr anonymen Arbeit wahrgenommen werdet?
Das ist schwer zu beantworten. Wir hatten in Graz noch nie einen Vorsitzenden, der medial so präsent war wie Cengiz Kulac. Ich weiß nicht, wie viel das bringt. Aber ich mache für die Psychologie immer noch jede Woche eine Sprechstunde. Dort bekommt jeder konkrete Hilfe und kennt dann mein Gesicht und meinen Namen. Viele wissen meist nicht, wer dieser Cengiz Kulac ist, von dem sie immer E-Mails bekommen. Und für die Studierenden ist diese konkrete Hilfe wichtiger, als medienwirksame Aktionen.

Gehen diese Studierende dann auch zur Wahl?
Das kommt drauf an. Wenn sich ein Problem in fünf Minuten lösen lässt, wird man denjenigen vielleicht nicht sofort zur Wahl motivieren, aber jemand der ein komplexeres Problem hat und mit dem man dann über zwei Wochen immer wieder in Kontakt steht, der fragt automatisch irgendwann: „Warum tust du dir das an?“

Und was antwortest du?
Mir macht das Spaß. Im Studium geht mir recht oft die Gestaltungsmöglichkeit ab, die ich innerhalb der ÖH habe. Ich kann meinen Studienplan mit gestalten. Ich kann ändern, was mich stört und das will ich nutzen.

Spannen wir damit den Bogen ins Konkrete: Einer eurer Vorschläge ist die Busverbindung zwischen KF und TU Graz. Wie willst du das umsetzen?
Das geht sicher nur innerhalb der Exekutive …

Ich glaube, nicht einmal dort. Das ist doch die Entscheidung der Stadt und der „Grazer Linien“.
… aber wir können den Bedarf zeigen.

Ist es nicht unlauter mit etwas Wahlkampf zu machen, auf das ihr im Endeffekt wenig Einfluss habt?
Also das ist schon konkreter als das, was andere Fraktionen so anbieten. Und wenn der Bedarf besteht, wird sich auch die Stadt nicht quer stellen.

Hat eine Fraktion wie die Aktionsgemeinschaft (AG) oder die GRAS, deren Mutterparteien ÖVP und Grüne in der Stadtregierung sitzen, nicht bessere Chancen so etwas umzusetzen?
Also ich glaube nicht, das die aktuellen Verbindungen zwischen ÖH und Stadt besser sind, als unsere in den Jahren zuvor. Wenn GRAS und AG so gute Verbindungen hätten, hätten sie ja ihre Forderungen nach einer Straßenbahnlinie zur Uni und Freifahrten umsetzen können. Unser letzter Vorsitzender Florian Ortner hat den Mobilitätsscheck mit der Stadt verhandelt, nicht die GRAS oder die AG. Die können sich den Erfolg aber auf die Fahnen heften, weil er unter deren ÖH-Vorsitz schlagend geworden ist.

Es gibt zwar keine Wahlumfragen, aber in der Kontinuität der letzten Jahren habt ihr gute Chancen die Wahl wieder zu gewinnen. Heißt das, du bist der nächste ÖH-Vorsitzende?
Das ist natürlich unser Ziel. Wir werden aber mit Sicherheit in eine Koalition gehen müssen, weil sich die absolute Mehrheit nicht ausgehen wird. Aber es ist realistisch, dass wir in eine Koalition kommen, nachdem wir mit den meisten Fraktionen zusammenarbeiten könnten. Wir sind ja weltanschaulich nicht gebunden.

Wieso hat das dann beim letzten Mal nicht funktioniert? Da haben sich AG, VSSTÖ und GRAS zu einer eher ungewöhnlichen Koalition zusammen geschlossen. Was macht dich so sicher, das es diesmal nicht ähnlich läuft?
Sicher bin ich mir nicht, aber die anderen Fraktionen haben in den letzten beiden Jahren gesehen, was es bedeutet den Vorsitz der ÖH zu stellen. Sie haben sich am Anfang auch schwer getan mit dieser Verantwortung, das hat man an den ganzen Personalwechseln gesehen. Wir kennen die Arbeit aus früheren Jahren, wo wir den ÖH-Vorsitz hatten und wissen worauf wir uns einlassen.

Erwartest du, dass du während einer eventuellen Tätigkeit im Vorsitz dein Studium weiterführen kannst?
Nein, nicht ernsthaft. Vielleicht drei oder vier Prüfungen.

Welche Fraktionen, von denen die du als überfordert beschrieben hast, wäre dir der liebste Koalitionspartner?
Also mit Gras und AG wird sich die Koalition rechnerisch sicher ausgehen. Was ist mir das liebste? Ich stehe sicher den linken Fraktionen näher, als den Konservativen. Aber die Frage ist ja, mit welchen Leuten man zusammenarbeiten muss. Und da ich in erster Linie an der Uni Graz die Studierenden vertreten will, ist mir der politische Hintergrund – innerhalb bestimmter Grenzen – relativ egal. Und da ziehen im Großen und Ganzen alle an einem Strang. Das Problem bei AG und der Liste Veritas ist nur, dass sie offen Zugangsbeschränkungen fordern.

Aber bevor du dir die Personen aussuchen kannst, mit denen du zusammenarbeiten müsstest, muss doch eine gewisse gesellschaftspolitische Schnittmenge vorhanden sein. Da weiß man bei der FLUG nie genau, woran man ist.
Wir verstehen uns als Fraktion, die an der Uni Graz arbeiten möchte. Das heißt, wir haben eigentlich keine Forderungen, die über Graz hinaus gehen. Dafür gibt es die Fachschaftsliste auf Bundesebene. Da fordern wir eine Mindestsicherung für Studierende und die Rücknahme der Kürzungen bei der Familienbeihilfe. Wir fordern eine vernünftige Finanzierung der Unis, denn die reine Drittmittelfinanzierung ist für uns keine Alternative.

Das verortet euch relativ nah bei GRAS und KSV. Ist bei dieser Nähe überhaupt noch jene Unabhängigkeit möglich, mit der ihr euch positioniert?
Wir haben nie behauptet, dass wir unpolitisch sind. Aber wir sind an niemanden gebunden und insofern unabhängig, dass wir von niemandem finanziert werden. Uns pfeift auch niemand zurück, so wie man das bei der AG gesehen hat. Die war am Anfang an den Protesten in Graz beteiligt und auf einmal waren sie weg. So etwas gibt es bei uns nicht.

Robert Krotzer – KSV

Von der größten Fraktion zur kleinsten, die aktuell in der ÖH vertreten ist. Noch immer ist die Steiermark ein gutes Pflaster für Kommunisten, aber was heißt es im 21. Jahrhundert Kommunist zu sein? Zumindest darf man inzwischen CocaCola trinken, so wie der aktuelle KSV-Kandidat Robert Krotzer (23 Jahre) während des Interviews.

Als „Kommunistischer StudentInnenverband“ tragt ihr die gesellschaftlicheUtopiedesKommunismus in eurem Namen. Ist euer Wahlkampf deshalb gleichzeitig ein Klassenkampf?
Das kann man durchaus so sagen. Und zwar in dem Sinne, dass die klassenlose Gesellschaft keine Utopie ist, sondern ein Fernziel. Das wird unsere Generation in der Form wohl nicht erleben, aber unser Ziel ist es, den Kapitalismus zu beseitigen. Davon sind wir heute sehr weit entfernt, wir sind ja in einer Etappe, wo der Kapitalismus sogar immer aggressiver wird. Die sozialen Rechte werden immer weiter beschnitten: Die Kürzung der Familienbeihilfe und der Wohnbeihilfe…

Das sind alles sehr gesellschaftspolitische Fragen. Was bedeutet Kommunismus in der Hochschulpolitik?

Das bedeutet, dass wir gegen die Ökonomisierung des Bildungswesens Widerstand leisten. Die Universitäten sind immer abhängiger von Drittmitteln aus der Privatwirtschaft und das gefährdet die Freiheit von Lehre und Forschung. Wissenschaftliche Tätigkeiten sollen sich ja nicht daran orientieren, ob sie Profite bringen.
Aber es ist doch erfreulich, dass der Kapitalismus einige Unternehmen befähigt, universitäre Forschung zu unterstützen. Das passiert ja zusätzlich zur immer noch vorhanden staatlichen Finanzierung.
Das sehe ich nicht so. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Gesellschaft, und die spiegelt sich im Staat wieder, eine freie Forschung leisten muss. Und sobald dort private Profitinteressen hinzukommen, geht die Nützlichkeit für die Gesamtgesellschaft verloren. Man sieht das schon, wenn man die Drittmittel zwischen der Technischen Universität und der eher geisteswissenschaftlichen KFU vergleicht. Das ist auch für die TU von Nachteil, weil die Leistungen, die dort erbracht werden, nicht der Gesellschaft zu Gute kommen, sondern sofort patentiert werden und damit nur den Unternehmen, die damit Gewinne machen, etwas bringt.
Das Interesse der Studenten an einer solchen „kommunistischen Universität“ scheint sich in Grenzen zu halten. Wie erklärst du dir das?
Also es geht bei den ÖH-Wahlen nicht darum, eine kommunistische Universität zu errichten. Wir wollen gemeinsam mit den Studierenden gegen die Verschlechterungen vorgehen. Das ist während der Besetzungen in den letzten beiden Jahren auch immer wieder passiert. Für uns ist es ein zentrales Anliegen, die Menschen zu organisieren und ihren Protest zu unterstützen.
Trotzdem gelang es der FLUG zuletzt mit ganz ähnlichen Anliegen, aber ohne kommunistische Utopie, zur stärksten Fraktion zu werden. Ihr habt nur ein Mandat.
Es gibt sehr viel, was wir auch an der Arbeit der FLUG schätzen, keine Frage. Aber was uns unterscheidet: Die FLUG wirbt mit dem Spruch: „Die Welt können wir nicht retten, die Uni alle mal“. Wir sind aber der Meinung, dass man über den Campus hinaus blicken muss und all jene zu einem Schulterschluss zu bringen, die unter diesem neoliberalen System leiden.
Ihr beruft euch in eurem aktuellen Wahlkampf auf Einstein und seinen Text: „Warum Sozialismus“. Der gleiche Einstein spricht sich auch für eine bedarfsorientierten Planwirtschaft aus. Würde das nicht bedeuten, dass die Zahl der Studienplätze je nach Studium und Bedarf an Absolventen limitiert werden müsste?
Das ist a bissl a schwierige Frage. Wenn man es umkehrt, hat man ja heute die Situation, dass eine Studienberatung weitest gehend fehlt und sich deshalb viele nach dem Studium in die „Generation Praktikum“ einreihen. Vom Sozialismus sind wir aber noch weit entfernt, deshalb wird sich die Frage der ökonomischen Planbarkeit von Studienplätzen erst später stellen.
Unter den Bedingungen des Kapitalismus sind die Hochschulbeschränkungen also abzulehnen, im noch zu verwirklichenden Sozialismus nicht mehr?
Nein, denn der freie Hochschulzugang ist jetzt schon eine Illusion. Meine Eltern haben beide als höchste Ausbildung eine Lehre, ich studiere jetzt an der Universität. Damit gehöre ich zu einer Minderheit von 5,7 Prozent, die es auf die Universität schaffen. Wir haben also massive Barrieren. Diese gilt es zuerst einmal zu beseitigen.
Das löst aber den Widerspricht zwischen Planwirtschaft und freier Studienwahl nicht auf.
Natürlich taucht die Frage nach dem gesellschaftlichen Bedarf an Absolventen irgendwann auf, aber das ist ja kein Widerspruch dazu, dass man sein Studium nach seinen Interessen und Fähigkeiten wählt.
Ich glaube da kommen wir nicht weiter. Was sind die konkreten Projekte neben der sozialistischen Utopie, oder können diese nur eine Folge der gesellschaftlichen Veränderung sein?
Es gibt da massig Missstände an der Uni, die zu lösen sind. Da muss niemand auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertröstet werden. Das sind ganz praktische Dinge wie die Verkehrssituation: Es gibt nach wie vor keine Linie zur Uni, keine Busverbindung zwischen TU und KF und auch die Kosten für den Mobilitätsscheck sind nicht weiter gesunken.
Das sind aber alles Positionen, die auch von der FLUG, der GRAS und der AG geteilt werden. Was ist euer, um es kapitalistisch auszudrücken, USP (unique selling proposition)?
Es gibt halt sehr viele Gemeinsamkeiten, die den Studierenden zu Gute kommen. Da kann sich ja keine Fraktion verwehren. Es ist das Ziel aller, etwas gegen volle Hörsäle zu unternehmen und schlechte Studienbedingungen zu kritisieren, ganz egal wer das jetzt wie formuliert. Wir unterscheiden uns dadurch, dass wir in diesen Protesten kein Fraktions-Hick-Hack mitgemacht haben, sondern immer versucht haben, die Widerstandskraft der Studierenden zu stärken.
Womit wir wieder beim Klassenkampf sind. Was sollte der Grund sein, dass ein BWL-Student den KSV wählt?
Ach, da kenne ich genug BWL-Studierende, die nicht der Meinung sind, dass die freie Marktwirtschaft das einzig Beglückende ist. Die sehen, wie dieses System massive Ungerechtigkeiten produziert. Natürlich muss man als KSV- Sympathisant in der BWL gegen den Strom schwimmen. Aber das muss man im Moment noch überall.

Natalie Ziermann – VSStÖ


Vom Klassenkampf zum Geschlechterkampf. Also nächstes treffe ich Natalie Ziermann (21 Jahre) die im Referat für „feministische Politik“ aktiv ist. Braucht man das? Und wofür?

Natalie, du bist seit zwei Jahren in der ÖH aktiv und hast in dieser Zeit das Frauenreferat in „Referat für feministische Politik“ umbenannt. Warum?

Wir wollten ganz klar definieren, in welche Richtung des Referat geht. Feministische Politik heißt für uns, dass wir auch Männer mit einbeziehen. Es heißt, dass wir uns für die Gleichstellung für Frauen einsetzen. Frauenreferat hieß einfach nur, dass es ein Referat für Frauen ist.
Kannst du den Unterschied in der praktischen Arbeit erklären?
Also meine Vorgängerin hat sehr viel Wert auf Vernetzung mit anderen Fraueneinrichtungen gesetzt. Das machen wir schon auch noch, aber wir versuchen wirklich Studentinnen in ihrer Kompetenz zu stärken und auf Ungleichheiten aufmerksam machen.
Eine eurer Forderungen war immer die nach einer weiblichen Rektorin. Jetzt wurde Christa Neuper gewählt – was ist nun das Thema des VSSTÖ?
Eine weibliche Rektorin ist natürlich sehr wichtig, aber damit ist ja noch nicht die komplette Gleichstellung gegeben. Wir haben noch immer weniger als 20 Prozent Professorinnen.
Aber ihr verliert mit diesem „Erfolg“ ein entscheidendes Argument den VSSTÖ zu wählen.
Das glaube ich weniger. Unsere feministische Hauptforderung ist die Förderung junger Wissenschaftlerinnen, weil das immer noch vernachlässigt wird. Es geht nicht nur um die oberste Ebene.
Du unterstellst also, dass männliche Jungforscher noch immer gegenüber weibliche bevorzugt werden?
Ja.
Und die Forderung des Bundes-VSSTÖ nach „Quotenfrauen in allen Bereichen“ erhebst du auch hier in Graz?
Ich würde nicht unbedingt sagen „Quotenfrauen“, das ist ein irgendwie negativ behafteter Begriff. Quoten sind Mittel zum Zweck, aber sicher nicht das alleinige Mittel. Ein sehr guter Weg sind Mentorinnen-Programme, bei denen Frauen, die sich innerhalb des Systems durchgesetzt haben, ihre Erfahrungen weitergeben.
Aber trotzdem argumentiert ihr auch mit der Quote. Entsteht dadurch nicht der Eindruck, dass Frauen nur deswegen in Positionen kommen? Die inhaltliche Leistung wird doch dadurch geschmälert.
Der Eindruck wird bewusst von reaktionären Kräften vermittelt.
Der wird von euch vermittelt! Ihr standet beim öffentlichen Hearing mit einem Transparent da: „Wo ist die Rektorin?“ Das ist doch keine inhaltliche Forderung.
Wir haben immer betont, dass eine Person mit der nötigen Kompetenz Rektor oder Rektorin werden soll. Unsere Meinung nach hatte Christa Neuper die gleiche, wenn nicht eine bessere Qualifikation als die anderen Bewerber. Unsere Forderung war darauf bezogenen, dass es bis zu Christa Neuper nur eine einzige Rektorin in Österreich gab. Aber immer, wenn eine Frau in eine solche Position kommt, wird darüber diskutiert, ob sie nur deswegen dahin kommt, weil sie eine Frau ist. Das stimmt einfach nicht. Früher hätte auch niemand gesagt, dass ein Mann nur Rektor wird, weil er ein Mann ist.
Aber das ist doch genau eure These: Dass Männer nur in ihre Ämter kommen, weil sie Männer sind.
Nicht alle, aber sehr oft, ja.
Ist unsere Generation nicht längst über den Punkt hinaus, wo die Frage der Gleichstellung noch so massiv behandelt werden muss. Warum ist das noch immer so ein zentrales Anliegen für den VSSTÖ?
Wenn wir uns anschauen, dass Frauen noch immer ein Viertel weniger verdienen als Männer, der Anteil von Männern die in Karenz gehen unter 10% liegt und Frauen noch immer Opfer von sexueller Belästigung sind, gibt es noch viele Punkte, wo Frauen im Nachteil sind. Natürlich ist dafür ein größeres Bewusstsein da, als vor 30 Jahren, aber wenn wir uns die Lohnschere anschauen, geht diese immer noch weiter auseinander.
Das ist aber alles Gesellschaftspolitik. Auf der KFU haben wir 60% Frauen, da müsstet Ihr als VSStÖ, wenn deine These stimmt, jede Menge Wählerinnen haben. Aber ihr haltet im Moment nur ein Mandat. Kann es sein, das eure Politik bei denjenigen für die ihr sie macht, gar nicht so gut aufgenommen wird?
Ich glaube, das liegt nicht daran, dass wir feministische Themen aufgreifen. Die meisten merken erst nach dem Studium, was es für Barrieren gibt. Und das versuchen wir im Referat zu betonen und hoffen, dass sich das positiv auf das Wahlergebnis auswirkt.
Als feministisches Referat habt ihr einen Film zum Frauentag produziert in dem du auch selbst mitspielst …
„Superwoman walking down the Street“.
… darin werden Männer als homophobe Chauvinisten, Sexisten und Vergewaltiger dargestellt. Die Frauen befinden sich in der Opferrolle, aus der sie sich dann mit Gegengewalt wehren bzw. emanzipieren. Was ist das für einen Männer bzw. Frauenbild?
Also der Film war bewusst überzeichnet, deshalb ist es ja auch ein Schwarz-Weiß-Film. Der Sinn dahinter war, Frauen zu zeigen, dass sie sich wehren können.
Die Feministin Simone de Beauvoir hat davon gesprochen, dass Männer und Frauen geschwisterlich ins »Reich der Freiheit« gehen sollen. Davon war in dem Film nichts zu sehen.
Also wir stellen Männer nicht immer so dar, wir versuchen sie einzubeziehen. Aber der Film war speziell zum Tag der Gewalt gegen Frauen gemacht und soll darauf aufmerksam machen, wie sehr Frauen noch immer durch männliche Gewalt betroffen sind. Das ist eine Tatsache, die man nicht abstreiten kann.
Aus dieser Debatte, die wir gerade führen, die ja immer noch sehr gesellschaftspolitisch ist, lassen sich daraus konkrete Projekte ableiten?
Was wir im letzten Jahr aufgebaut haben, ist der Studentinnen-Treff. Diesen Stammtisch soll es weiter geben. Wir wollen weiblichen Studierenden die Möglichkeit geben, Kompetenzen zu erlangen, die sonst eher Männern offen stehen. Wir haben zum Beispiel einen Layout-Workshop für Frauen angeboten, der völlig überlaufen war.
Und das wäre bei einem Workshop für beide Geschlechter nicht so?
Ich glaube, dass sich Frauen dann oft nicht trauen, weil diese technischen Qualifikation, wie zum Beispiel fürs Layout, oft Männern zugeschrieben werden.
Die Frauen schreiben den Männern eine höhere Kompetenz zu? Gehst du auch davon aus, dass die Fähigkeiten tatsächlich verschieden sind?
Die Kompetenzen sind schon verschieden, aber das ist gesellschaftlich anerzogen und nicht naturgegeben. Wir versuchen mit solchen Workshops zu zeigen, dass sich die vermeintlichen Unterschiede im Können leicht widerlegen lassen.

Gedankt sei allen Gesprächspartner; im zweiten Teil folgt dann das nicht geführte Interview mit dem RFS-Kandidaten und die sehr wohl geführten Interviews mit Marie-Theres Fleischhacker (GRAS), Lukas Lerchner (Veritas) und Phillip Maunz (AG).