michaelthurm

studiosus politicus

folgender Artikel erschien im FALTER Nr. 20/2011

Natürlich geht es bei dieser Wahl darum, wer schlussendlich den Platz des aktuellen ÖH-Vorsitzenden Cengiz Kulac von den Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) übernimmt. Kaum ein Vorsitzender der Karl-Franzens-Universität war medial so präsent wie er. Und lange wurde nicht mehr so viel über Hochschulpolitik, Uni-Finanzierung und den Sinn des Studierens debattiert wie in den letzten beiden Jahren. Kulac versuchte diese Debatte von Graz aus zu beeinflussen, brachte im Herbst 2010 Tausende Studierende auf die Straße, um gegen die Kürzung der Familienbeihilfe zu protestieren.

Die Wahlen vom 24. bis zum 26. Mai entscheiden auch darüber, ob sich der Protest der Studierenden weiter in solche medienwirksamen Demonstrationen kanalisieren lässt oder ob die von Kulac erhoffte „Politisierung der Studierenden“ eine Illusion bleibt. Denn bei der letzten Wahl 2009 lag die Beteiligung bei mageren 27 Prozent. Da trÖstet es wenig, dass sich vergleichbare Universitäten in ähnlichen Tiefen bewegen. Das Ergebnis war auch ein kritisches Signal an die Fraktionen der ÖH, die sich stark in den Mustern ihrer Mutterparteien bewegen: Den grÖßten Erfolg bei der letzten Wahl verbuchte die unabhängige Fachschaftsliste (FLUG). Diese politisch ungebundene Fraktion stellte bereits vier Mal hintereinander den Vorsitzenden, bevor sie trotz Wahlsieges von einer Koalition aus GRAS, dem Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) und konservativer AG in die Opposition geschickt wurde.

Aber nicht nur das Interesse der Studierenden hält sich in Grenzen, auch das ÖH-Personal unterlag noch nie einer solchen Fluktuation. Marie Fleischhacker, die neue Spitzenkandidatin der GRAS, erklärt das damit, dass man sich „eine ÖH-Tätigkeit auch leisten kÖnnen muss. Zeit für einen Nebenjob ist keine.“ Es kÖnnte aber auch daran liegen, dass die ÖH zu wenig bewegen kann – vor allem, wenn sich noch nicht einmal alle einig sind, was sie überhaupt bewegen sollte.

Zwei Lager lassen sich erkennen, die ganz verschiedene Auffassungen darüber haben, wofür sie eigentlich da sind. Zum einen sind das die Service-Fraktionen und zum anderen jene, die auch einen gesellschaftspolitischen Anspruch haben. Zu den „Dienstleistern“ gehÖrt auch Stefan Thum, Vorsitzender der stimmstarken FLUG. Für ihn steht der Service im Vordergrund, die Unterstützung der Studierenden im bürokratischen Uni-Alltag. Gesellschaftspolitisch verortet er sich zwar „eher bei den linken Fraktionen“, aber das ist innerhalb der FLUG keine Mitgliedschaftsvoraussetzung. Wahrscheinlich ist die Liste gerade deswegen, weil sie sich unpolitisch gibt, so beliebt. Als einzige Fraktion bekam sie bei der letzten Wahl mehr als 2000 Stimmen – von fast 22.000 Wahlberechtigten.

Eine gegensätzliche Auffassung vertritt der Kommunistische StudentInnenverband (KSV) und mit ihm der Spitzenkandidat Robert Krotzer. Der Lehramtsstudent fordert eine Vereinigung der Arbeiterschaft mit den Studierenden, die alle unter dem kapitalistischen System und den Kürzungen bei Familien- und Wohnbeihilfe zu leiden hätten. Dabei ist Krotzer durchaus bewusst, dass seine Generation den Sozialismus nicht mehr erleben wird. Im Gegenteil: „Davon sind wir heute sehr weit entfernt, wir sind ja in einer Etappe, wo der Kapitalismus sogar immer aggressiver wird.“ Der KSV tritt an, um das Schlimmste zu verhindern – aus seiner Sicht wären das Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren. Und damit liegt er wieder erstaunlich nah bei den Positionen von Stefan Thum, der als Kandidat der Fachschaftsliste genau die gleichen Anliegen hat.

Der SPÖ-nahe VSStÖ will die beiden Pole vereinen und versucht den politischen Zielen auch Serviceleistungen folgen zu lassen. Mit Natalie Ziermann ist dafür eine typische Vertreterin zur Spitzenkandidatin gewählt worden: Sie war im Referat für feministische Politik aktiv und hat dort unter anderem Layout-Workshops speziell für Frauen organisiert.

Weil sich die linken und die konservativen Fraktionen sowohl in ihren gesellschaftspolitischen Zugängen als auch in ihrer Auffassung von Service deutlich unterscheiden, funktioniert das politische Lagerdenken auf Universitätsebene noch: Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) organisierte vor allem Partys, will einen vergünstigten Parkplatz für Studierende und fordert Zugangsbeschränkungen in Form eines einmaligen Aufnahmetests zu Studienbeginn.

Und auch die zweite Fraktion im rechten Spektrum erfüllt ihr Klischee: Der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) tritt als Anti-Linke-Fraktion auf, ohne dabei mit allzu vielen Inhalten zu überfordern. Für Aufregung sorgte die Attacke auf Cengiz Kulac, der verklagt wurde, weil er das Wählerverzeichnis nicht zur Verfügung gestellt hatte. Der RFS war zwar von der Wahlkommission bereits als wahlwerbende Gruppe anerkannt worden, aber dieser Status war noch nicht mittels Sitzungsprotokoll an den ÖH-Vorsitzenden geschickt worden. Der RFS fühlte sich durch diese „undemokratische Vorgehensweise“ ausgeschlossen und erstattete Anzeige wegen Amtsmissbrauchs. Der Grazer RFS sorgt aber auch selbst dafür, dass er ausgeschlossen wird: Sowohl für den Falter als auch für andere Medien war der Vorsitzende der Landesgruppe Steiermark, Gerald Esterer, nicht erreichbar.

Chancen, in die nächste Universitätsvertretung zu kommen, hat der RFS aber trotzdem. Da das Gremium von 17 auf 19 Sitze erweitert wird, ist ein Mandat einfacher zu erhalten – das letzte Mal scheiterte der RFS um zwei Stimmen am Einzug. Spannender wird die Frage, wie viel Profit die GRAS aus ihrer medialen Präsenz schlägt und ob die FLUG ihren letzten Erfolg auch aus der Opposition heraus verteidigen kann. Spitzenkandidat Stefan Thum ist zuversichtlich: „Ich habe auf der Psychologie jede Woche eine Sprechstunde, da kennt man mein Gesicht und meinen Namen.“

Und auch Kulac hofft: „Nach den letzten beiden Jahren müssten dreißig Prozent eigentlich locker drin sein.“ Dabei bezieht er sich aber nicht auf das Ergebnis der GRAS, sondern auf die Wahlbeteiligung. Sollte das nicht gelingen, müsste dafür auch die GRAS einen Teil der Verantwortung übernehmen: Eine schriftliche Einladung, die zur rechtzeitigen Zahlung des ÖH-Beitrages aufrufen sollte – das ist nÖtig, um im Wählerverzeichnis zu stehen – wurde von den GRAS-Verantwortlichen im ÖH-Vorstand zu spät in Auftrag gegeben.