michaelthurm

Sehen Sie Nichts

Die neue Ausstellung von Heimo Zobernig – ohne Titel – bietet viel Stoff für einen Monty-Python-Sketch. Vor allem wenn man mit einer ausreichend großen Gruppe von Besuchern in der neuen Ausstellung des Grazer Kunsthauses ist.
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Stundenlang kann man sinnierend vor der groben weißen Leinwand »ohne Titel« (2008) stehen, sich von der weißen Folie »ohne Titel« (2002) erheitern und irritieren lassen oder mit schief gelegtem Kopf vor dem weißen Querformat von 1993 »ohne Titel« grübeln. Schon störend wirken da einige farbige Werke Zobernigs: plötzliches Blau zwischen all dem Weiß – wozu? Wenn schon Nichts, dann bitte konsequent. Eine Stiege ins Nichts, die man nicht betreten darf, na gut. Ein Oktaeder aus Leinen, dessen Inneres sich dem Betrachter inkonsequent verweigert – viel zu konkret! Ein Knäuel aus Klopapierrollen, das unsere Darmwindungen fortsetzt: ein unerhörter Affront der Gegenständlichkeit!
Zum Glück bleibt es eine von wenigen Ausnahmen im sonst so weißen Paradies des Nichts. Zwei Highlights hat die Ausstellung zu bieten: das Fotoverbot für die weiße Leinwand von 1993 »ohne Titel«, die als Leihgabe des Belvedere nach Graz gegeben wurde. Fotografieren Sie nichts! Niemals. Es sei denn, es ist das Nichts von 2002 oder 2008. Das geht in Ordnung.
Das ohne Frage gelungenste Meisterwerk sind allerdings die subtil im Raum verteilten Bänke. Weiß, ohne Titel. Unauffällig stehen sie den Besuchern im Weg herum, zwingen sie ihre Laufwege zu ändern und stellen die immer gleiche Frage: Ist das Kunst oder kann das weg? Und sie bekommen keine Antwort. Von niemandem. Also nehmen sie Platz auf dem weißen Nichts.
Man sollte nicht allzu viel Aufhebens um Kunst und künstlerisches Schaffen machen. Das ist »überbewertet«, wie der gesättigte Kunstkenner zu urteilen pflegt. Kunst braucht nur eine gute Erklärung. So und mit möglichst großen Ausstellungen rechtfertigt sie sich leicht. Zobernigs Retrospektive steht unter dem inoffiziellen Titel: »Das Nichts ist für jeden anders.« So ein Satz, auf Postkarten gedruckt, wiegt schwer und dank ihm bekommt die Kunst jene Aura verliehen, die aus dem Nichts eben etwas Kunst macht. Man darf das nur nicht ernst nehmen.

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Fotografieren Sie das weiße Bild des Belvedere, stellen Sie es aus und behaupten Sie, es sei das 1999er-Werk. Das ist auch weiß und hat auch keinen Titel. Oder machen Sie es umgekehrt. Legen Sie am besten noch einen Fotofilter drüber, einen von den ganz billigen. Machen Sie aus dem Nichts noch weniger. Banalisieren Sie das Banale. Stoßen Sie sich den Kopf an einem riesigen schwarzen Würfel und verklagen Sie das Kunsthaus. Warum dieser Klotz auch mitten in der Ausstellung steht. Erklären Sie dem Personal, dass ein Bild um 90 Grad gedreht gehört. Gehen Sie auf keinen Fall allein dorthin. Sinnieren Sie laut über das offensichtlich Abwesende. Beziehen Sie Umstehende in diese Diskussion ein, am besten mit Suggestivfragen. »Ist das nicht gewagt?« Bleiben Sie ernst dabei. Verziehen Sie keine Miene. Oder wenn Ihnen das liegt: Lachen Sie sich kaputt. Vor jedem Bild aufs Neue. Warum sollen sich denn immer nur die Künstler danebenbenehmen?