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Martin Bartenstein – Fazitgespräch

Thomas Pokorn und ich sprachen mit dem ehemaligen Minister für Wirtschaft und Arbeit über Krisen in der Politik, der Wirtschaft und wo deren Wege hingehen sollten.

Die Schwarze Eminenz

Herr Bartenstein, Sie sind einer der längstdienenden Politiker, waren einer der längsten amtsführenden Minister Europas. Wie hat sich die Politik in den letzten 20 Jahren verändert?
Das politische Leben ist noch intensiver geworden, die Bedeutung der Medien noch grÖßer. Der Dank und die Anerkennung für politisch Verantwortliche ist weiter auf dem Weg nach unten. Ich meine aber, zum guten Teil zu unrecht. Auch ist in diesen Jahren eine ganze Arbeitsdimension dazugekommen, nämlich die Europäische Union. Als Umwelt- und dann als Wirtschafts- und Arbeitsminister hatte ich viele europäische Kompetenzen.
Belastung oder Chance?
Nach der Arbeitszeit auf jeden Fall eine Belastung, weil eine Unzahl von Meetings dazukommt. Zuerst 15, dann 27 Staaten auf einen Nenner zu bringen ist ja nicht ganz einfach. Dazu kommt, dass die Welt enger zusammengerückt ist. Denken Sie nur an den Klimaschutz, da ist die globale und europäische Arbeit erheblich wichtiger geworden. Die Mitgliedschaft Österreichs in der EU ist aber schon an sich eine Chance.
Hätten Sie als Arbeitsminister die Rahmenbedingungen für die Politiker ändern kÖnnen und sollen?
Die Arbeitsbedingungen sind nicht schlecht, Österreichs Politiker sind gut bezahlt. Es ist nur schade, dass in Österreich die Entfernung zwischen Regierung und Abgeordneten so groß ist. Wir sollten auf AugenhÖhe kommunizieren, da sollte Waffengleichheit herrschen.
Hätte das schon ausgereicht, um die Politik besser auf die Finanzkrise vorzubereiten?
Sicher nicht. Wenn man von einem politischen Versäumnis sprechen will, dann liegt es an der mangelnden Regulierung der Finanzmärkte. Es ist leider immer so, dass erst ein GAU passieren muss, um notwendige Entwicklungen anzustoßen. Ich komme aus der Pharmaindustrie, da hat es des Contergan-Skandals gebraucht, um Medikamente auf Folgeschäden im Erbgut zu testen. Vielleicht sollten wir bei neuen Finanzprodukten ähnliche Wege gehen und neue Produkte ähnlich harten Prüfungen unterziehen. Wir haben ja erst nach dem Ausbruch der Krise verstanden, was da von Investmentbanken alles für Produkte erfunden wurden.
Neue Produkte? Viele wollen zurück zu alten und sicheren Finanzprodukten wie Aktien und Fremdwährungen.
Wir müssen jetzt darauf achten, dass Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Funktionierende Kapitalmärkte sind wichtig und Zugang zu Kapital ist für die Wirtschaft essentiell. Wir müssen aber auch verstehen, dass es bei einem mÖglichen Gesamtwirtschaftswachstum von 2-3% unmÖglich ist, 20% Rendite bei Finanzprodukten zu erwarten.
Mit welchen Maßnahmen kÖnnen wir die nächste Krise verhindern?
Da wurde von der europäischen Kommission schon einiges vorgelegt. Die Vorschläge zur
Eigenkapitalausstattung der Banken, die Schaffung europäischer Regulierungen als Synthese der bestehenden Regeln, die Schaffung eines Risk-Councils, einer makroÖkonomischen Struktur, die Risiken bewertet. Das gab es bisher nicht. Was da unterwegs ist, ist gut und wird von uns unterstützt.
Ist die Verstaatlichung von Banken ein funktionierendes Regulierungssystem?
Aus der Not hat man hier eine Tugend gemacht und ist zum Teil den Weg der Verstaatlichung gegangen. Wenn man vor der Alternative steht, Banken pleite gehen zu lassen, ist die Verstaatlichung sicher die bessere LÖsung. Aber selbst eingefleischte Sozialdemokraten sehen im Staat nicht mehr den besseren Unternehmer. Der Staat muss auch dort die letzte Instanz sein. Der Anker, wenn alles andere schief geht.
Der Staat ist also für die Rettung der Banken verantwortlich?
Man muss da zwischen Banken und Realwirtschaft unterscheiden. Wenn systemrelevante Banken den Bach runter gehen, lÖst das einen Dominoeffekt aus. Wenn in der Realwirtschaft ein Unternehmen insolvent geht, sollte man das in Kauf nehmen.
Aber auch die Banken sind Teil der renditeorientierten Privatwirtschaft, nur dass sie wegen ihrer „Systemrelevanz“ nicht den Regeln des freien Marktes unterliegen.
Deswegen werden sie mehr Aufsicht akzeptieren müssen. Es ist mir aber ganz wichtig, dass staatliches Kapital nur solange in den Banken bleibt, wie unbedingt notwendig.
Sollen sich der Staat nach der Krise so schnell wie mÖglich zurück ziehen?
Ja, man muss nur den Wettbewerb dabei einigermaßen neutral gestalten.
Bis jetzt wollen Sie noch nicht über Konsolidierung und die bald nÖtige Schuldenreduktion diskutieren. Trotzdem müssen wir darüber reden wie das Geld zurück kommen soll, das jetzt ausgegeben wird.
Es wäre vÖllig falsch, jetzt konjunkturdämpfende Maßnahmen vorzusehen, wie zum Beispiel massive Ausgabeneinschränkungen des Staates, SteuererhÖhungen, personelle Sparmaßnahmen. Der Zeitpunkt ist dann gekommen, wenn sich nachhaltiges Wachstum einstellt.
Ab wann erwarten Sie das?
Frühestens 2011 – als Optimist sehe ich eine Chance, dass wir die Talsohle 2009 erreichen. Zuerst kommt mit einem halben Jahr VerzÖgerung die Arbeitsmarktkrise auf uns zu und wir müssen aufpassen, dass sie nicht zur Sozialkrise wird. Langfristig müssen wir mindestens 2-3% unseres BIP einsparen. Das wird politisch unendlich schwierig werden.
Im Mai 2008 sprachen Sie davon, dass die amerikanische Rezession im Herbst vorbei sei und der Ölpreis wieder sinkt. Das ist er Dank der Finanzkrise auch. Gibt es noch berechenbare Märkte?
Keine Prognose aus 2008 gilt heute noch.
Egal wann der Aufschwung kommt, die MÖglichkeiten Schulden zu reduzieren werden jetzt schon diskutiert, unter anderem vom Koalitionspartner SPÖ. Erbschafts-, Transaktions-, VermÖgenssteuer. Was halten Sie davon?
Die Sozialdemokratie ist doch in dieser Frage vÖllig ratlos.
Reden wir über die Steuern, nicht über die SPÖ.
Die Linke sagt: „SteuererhÖhungen“, und jagt die vermeintlich Reichen. Sie betreibt eine gefährliche Neiddiskussion. Wir brauchen alles, nur keine Polarisierung. Wir müssen umgekehrt an der Ausgabenseite ansetzen. Aber in Wien gehen ja die Uhren etwas anders als in der Steiermark. Man weiß, man trifft damit den Mittelstand, die Häuslbauer und unter Umständen auch die Wohnungsbesitzer.
Das ist eine Frage der Obergrenze solcher VermÖgenssteuern.
Wer VermÖgenssteuer sagt, meint Grundsteuern. Da haben auch einige in der SPÖ erkannt, dass es ein gefährliches Pflaster ist.
Eine Transaktionssteuer oder Erbschaftssteuer kann das Geld nicht bringen?
Wenn es zu einer europäischen Transaktionssteuer kommt, dann ja dazu. Aber Österreich ist da ziemlich allein auf weiter Flur. Die Erbschaftssteuer ist schon fiskalisch nicht interessant und den Aufwand nicht wert. Wir sind zwar kein Hochsteuerland, die Österreicher zahlen aber doch sehr saftig Steuern. Daher nein zu neuen und hÖheren Steuern.
Sind dies nicht legitime Versuche Verteilungsgerechtigkeit herzustellen? Teilzeit, Nulllohnruden, Vorschläge auf Lohnverzicht bei Magna. Gleichzeitig die Investition in den quasi-insolventen Opel-Konzern. Gerecht?
Die beiden Dinge soll man nicht vermengen. In Sachen gerechter Verteilung ist Österreich nach dem Gini-Koeffizienten, der einzigen international anerkannten Berechnungsmethode, eines der allerbesten Länder. Die Lohnpolitik von Magna kommentiere ich sicherlich nicht von außen. Die offensive Strategie von Magna in Sachen Opel verdient aber schon Unterstützung. Sie ist eine mutige Alternative zum Hände-in-den-Schoß-legen und nur über Auftragsrückgänge jammern.
Also kein riskantes Geschäft, dass die Arbeitsplätze bei Magna Steyr gefährdet?
Ich will da keine Risikobewertung abgeben, aber „No Risk No Fun“. Die sichere Bank gibt es nicht und ich kenne Insider, die das für sinnvoll und machbar halten.
Wir sehen durchaus Sympathien von Ihnen für den Magna-Kurs. Glauben Sie, dass
freiwilliger Lohnverzicht ein Zukunftsmodell ist?
Lohnpolitik ist eine Domäne der Sozialpartner und soll es bleiben. Sie sprechen mit mir als Politiker und Ex-Minister.
Aber es spricht auch der Unternehmer aus Ihnen?
Wie meinen Sie das?
Es gibt in Europa doch einige offensive Bestrebungen gesetzliche MindestlÖhne einzuführen.
…den die Sozialpartner in Österreich nicht wollen, zumindest keinen gesetzlichen. Die Sozialpartner sind richtigerweise der Meinung, dass sie für die Lohnpolitik zuständig sind. Es kann nicht im Interesse der Arbeitnehmer sein, dass jedes Jahr im Parlament über LohnerhÖhung gestritten wird. Der gesetzliche Mindestlohn ist kein Modell für Österreich.
Sie haben immer das Modell „Flexicurity“ vorgeschlagen. Entwickeln wir uns zu immer schlechteren Arbeitsbedingungen?
Wir haben dieses Modell in Europa eingeführt. Heute ist diese Kombination aus Sicherheit und Flexibilität in Brüssel eine etablierte Strategie geworden. „Flexicurity“ ist gescheit und gut und von den Arbeitnehmern akzeptiert. Man muss dann in der Realität schauen, was darunter verstanden wird.
Ist das nicht eher ein Modell für die Rezession? In Nicht-Krisenzeiten sorgt das doch für sehr unsichere soziale Verhältnisse.
Ich glaube, dass für einen fix Angestellten eine gewisse Sicherheit gegeben sein muss. Unbefristete Vollzeitverträge sollte man wieder zum Standard machen. Das ändert aber nichts daran, dass die Realität in manchen Branchen starken Auftragsschwankungen unterliegt und das gefährdet Arbeitsplätze. Da muss es eine dynamische, keine statische Betrachtung geben.
Beispiel Magna oder Lehrer: Mehr Arbeit, weniger Geld. Wie lang kann man dem „kleinen Mann“ noch Maßnahmen zumuten?
Es war politisch alles andere als geschickt, sich eine Berufsgruppe wie die Lehrer willkürlich und ohne Ankündigung rauszusuchen. Aber es stimmt schon, dass in ganz Europa die Öffentlich Bediensteten ihre Rechte besonders hartnäckig verteidigen.
Wie auch die Privatunternehmer ihr VermÖgen hartnäckig verteidigen. Die Arbeits- und Wirtschaftspolitik war lange wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zwischen Konservativen und Sozialdemokraten. Was ist das Erfolgsrezept der Konservativen?
Die Menschen spüren, dass wir nicht mit sozialen und unbezahlbaren Versprechungen aus der Krise, sondern nur mit wirtschaftlicher Kompetenz. Da ist das Personal in der ÖVP wesentlich besser angesiedelt. Wen gibt es denn noch in der SPÖ?
Franz Voves hat diesen Anspruch.
Der erschÖpft sich allerdings darin, dass er das Konzept einer Gewerkschaft kopiert und damit in Wien vor verschlossenen Türen steht.
Gehen sie davon aus, dass dies den Wahlsieg kosten wird?
Kann gut sein und soll auch so sein.
Sie haben mit Beginn der großen Koalition 2008 befürchtet, dass die ÖVP der Verlierer der Großen Koalition sein wird. Das Gegenteil ist seitdem der Fall. Die ÖVP hat jede Wahl gewonnen. Was war der Grund für Ihre Fehleinschätzung?
Ich habe damals gegen die Koalition gestimmt, weil sie mir zu schnell kam und andere MÖglichkeiten nicht geprüft wurden.
Die von Ihnen als „Dreierkoalition“ bezeichnete Verbindung zwischen SPÖ, ÖVP und Krone bleibt ja trotz der wechselnden Gunst bestehen.
Nein, ich interpretiere das Interview von Dichand so, dass das der Bruch zwischen Faymann und Dichand ist. Dass es so schnell geht, überrascht mich. Genauso überrascht mich, dass Faymann so schnell zum Loser wird. Hans Dichand als Herausgeber setzt natürlich lieber auf Winner.
Träumen Sie auch manchmal von PrÖll und PrÖll?
Man soll da nicht träumen. Wir haben gesehen, dass wir mit PrÖll gewinnen kÖnnen.
Herr Bartenstein, vielen Dank für das Gespräch.
 
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