michaelthurm

Die sinnlose Schönheit des gedruckten Buches

Die effektive Lesezeit für dieses Buch liegt bei entspannten 43 Minuten. Es mögen 46 sein, wenn man sich zwischendurch einen Tee holen geht. Denn Maxim Billers neue Novelle »Im Kopf von Bruno Schulz« ist gerade einmal 69 Seiten lang und neben einer unterhaltsam traurigen Geschichte liefert der gebürtige Prager Autor einen (weiteren) sinnlos schönen Beweis für die Notwendigkeit gedruckter Bücher.
Denn was ist dieses Werk, das auf einen Kindle geladen wohl nicht einmal ein Megabyte an Speicherplatz beansprucht, für eine Schönheit: ein grober, dunkelblauer Leinen-Umschlag, kräftiges Papier, eine saubere Typografie, die den seit Jahren bewährten, längst angenehm langweiligen Abstand zum Rand des Buches und zu sich selbst hält. Keine Albernheiten, keine Exzentriken wie bei manch anderen Zeitgenossen. Stattdessen: ein Lesebändchen! Bei 69 Seiten, die noch dazu von sechs flüchtigen und zärtlichen Zeichnungen des Novellen-Helden Bruno Schulz unterbrochen sind. Unterbrochen im Sinne von: Sie laden zu einer Lesepause ein. Die Rückseite dieser Grafiken ist selbstverständlich auch nicht bedruckt, weil es sich nur so souverän vermeiden lässt, dass Bild und Schriftbild sich gegenseitig stören, wenn das eine von hinten durch die jeweils gegenüberliegende Seite schimmert. Ganz wunderbar ist dieses Druckwerk und Billers Geschichte des polnischen Autors, der in Vorahnung des Holocaust einen völlig vertrottelten Brief an Thomas Mann schreibt, weil er glaubt, dessen Doppelgänger entdeckt zu haben. Dieses Buch ist eine Zierde für jeden Bücherschrank. Gerade weil es auch als eBook zu haben ist.

Im Kopf von Bruno Schulz
von Maxim Biller
Kiepenheuer & Witsch

gebunden, 17,50 €