michaelthurm

Beatrix Karl – Fazitgespräch

Ministerin der Dialoge

Beatrix Karl hat wenig Zeit seit sie Ministerin ist. Die Steirerin wurde innerhalb kürzester Zeit von der JUS-Professorin an der Grazer Uni zur ÖAAB Sekretärin und ist seit Jänner 2010 Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung. Damit ist sie unter anderem für die Universitäten zuständig. Ein „brenzliges“ Ressort, wie die „Uni brennt“-Proteste im letzten Jahr gezeigt haben. Fazit fragte sie nach ihren Zielen im Hochschuldialog.
Frau Minister Karl, würden Sie nach Ihrer Einführungsphase als Ministerin sagen, dass Sie erfolgreich sind?
Das nach sechs Wochen Amtszeit zu beurteilen, wäre vermessen. Aber ich bin überzeugt, dass ich in den kommenden Jahren viel Positives bewirken kann.
Was haben Sie sich selbst für Erfolgskriterien gesetzt?
Für mich ist es entscheidend, die Qualität an den Fachhochschulen und Universitäten auf ein hohes internationales Niveau zu bringen. Und zwar sowohl die Qualität des Studien- und Lehrbetriebes, als auch den Forschungsbetrieb.
Woran soll sich diese Qualität messen lassen?
Das kann man an verschieden Faktoren messen. Wir kennen die Hochschulrankings. Aber die sind natürlich nicht allein aussagekräftig. Da gibt es auch andere Faktoren: Etwa, wie werden unsere Universitäten von ausländischen Studierenden angenommen, welchen Ruf haben unserer Lehrenden und Forschenden und natürlich auch unsere Absolventen.
In den letzten Wochen hat das Image der Universitäten unter den Studierenden gelitten. Sie werden es im Wiener Semperbau gespürt haben, als Sie bei einer Diskussion mit Buh-Rufen empfangen und mit Rücktrittsforderungen verabschiedet wurden.
Das war natürlich nicht angenehm, aber mir war klar, dass es sich nur um eine kleine Gruppe der Studierenden handelt. Es gibt viele, die eine andere Meinung vertreten. In meiner Tätigkeit als Professorin hatte ich immer ein gutes Verhältnis zu den Studierenden. Deshalb kenne ich auch die anderen Meinungen. Selbstverständlich bin ich weiterhin bereit mich mit den Studierenden auszutauschen.
Verändert der Protest Ihre Politik?
Nein, ich treffe die Maßnahmen, die ich für richtig und sinnvoll halte. Ich bin aber gerne zum konstruktiven Dialog bereit. In der Diskussion erreicht man mehr als auf der Straße.
Unter ihrem Vorgänger wurden die Proteste nicht nur von einer kleinen Gruppe getragen. Das waren Massenproteste. Beeinflusst die Gefahr neuer Proteste ihre Politik? Was würden Sie riskieren?
Dabei geht es nicht um Risiko. Es geht darum, die Verantwortlichen an den Universitäten zum Dialog einzuladen. Dazu gehÖren auch die Gespräche mit den Studierenden. Ich werde jedenfalls weiterhin Gespräche führen.

Sie haben in den letzten Wochen zahlreiche Interviews gegeben und Diskussionen besucht. Haben Sie den Eindruck, dass all das etwas bringt?

Ja, natürlich. Der Dialog ist immens wichtig. Aus jedem Gespräch kann man lernen.
Das letzte Universitätsgesetz ist von 2002. Es gab eine grÖßere Novelle. Wann wird es da die nächste Reform geben?
Eine weitere Novelle des Universitätsgesetzes ist in nächster Zeit nicht geplant. Wir müssen die Universitäten jetzt erst einmal in dem Gesetz von 2002 arbeiten lassen. Die Hochschulen hatten in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Reformen zu vollziehen. Sie waren von vielen Umstellungen betroffen, zum Beispiel die Autonomie.
Welche MÖglichkeiten haben Sie, in die Hochschulpolitik einzugreifen, ohne das UG abzuändern?
Wie gesagt. Da besteht jetzt keine unmittelbare Notwendigkeit. Momentan geht es um die Umsetzung der Bologna-Architektur. Klar ist, dass die Idee des Bologna-Modells, mit seiner Mobilität und Internationalität sehr gut ist. Die Umsetzung auf nationaler Ebene ist allerdings an einigen Universitäten nicht gut gelungen. Etwa bei der Umsetzung der Studienpläne. Deshalb habe ich auch ein 10-Punkte-Programm unter dem Titel „Bologna reloaded“ vorgestellt. Gemeinsam mit den zuständigen Senaten und Curricula-Kommissionen werde ich die Reparatur jetzt in Angriff nehmen. Da gibt es Nachbesserungsbedarf.
Aber die Ausgestaltung der Studienpläne gehÖrt zum Autonomiebereich der Universitäten.
Richtig, die Universitäten sind autonom. Aber ich werde da nicht wegschauen. Ich sehe es dennoch als meine Aufgabe, für die Qualität an den Universitäten und damit auch in den Studienplänen zu sorgen. Wenn die nicht sichergestellt ist, muss ich aktiv werden.
KÖnnen Sie den Universitäten vorschreiben, wie ihre Studienpläne aussehen sollen?
Ja, das kann ich. Jetzt wird aber erst einmal die Task Force eingesetzt. Die AngehÖrigen der Universitätenkonferenz, der FH-Konferenz, der ÖH und der Senate sind einbezogen. Wir wollen gute Beispiele für Studienpläne aufarbeiten, um davon zu lernen. Wenn diese Gespräche nicht fruchten, wird man aber auch über andere Maßnahmen nachdenken müssen. Im Moment sehe ich da aber Reformwillen. Schließlich sind alle Beteiligten daran interessiert, dass die Qualität der Studienpläne steigt.
Neben den inhaltlichen Problemen haben wir auch ein strukturelles Problem. Sie bringen es auf die Formel, dass 60% der Studenten in 10% der Fächer studieren – die Folge sind überfüllte HÖrsäle, was die Studiendauer verlängert. Gibt es da Handlungsspielraum für ihr Ministerium?
Da muss man auf verschiedenen Ebenen ansetzen. Eine davon ist die Studienwahlentscheidung. Wir müssen schon vor der Matura besser darüber informieren, welche StudienmÖglichkeiten es überhaupt gibt und wofür der oder die Einzelne am besten geeignet ist. Dafür wollen wir den Studienchecker und die Maturantenberatung durch die ÖH ausbauen.
Sie sprechen von „Wir“. Wer genau?
Viele Projekte, wie der „Studien-Checker“ sind nur gemeinsam mit den Universitäten, den Studierenden oder auch anderen Ressorts, zum Beispiel mit meiner Kollegin Claudia Schmied zu lÖsen. Jeder muss hier seinen Beitrag leisten.
Wird sich damit das Problem der Massenstudien lÖsen lassen?
Wir haben dort natürlich das Problem, dass meist nur Frontalunterricht mÖglich ist und die Drop-Out-Quoten durch Knock-Out-Prüfungen sehr hoch sind. Wir reden da von 60 bis 70 Prozent!
Mit denen sich Professoren angenehmere Arbeitsbedingungen herstellen?
So helfen sich die Universitäten derzeit. Aber das sind undurchsichtige Methoden. Mir wäre da ein transparentes Verfahren wesentlich lieber.
HÖre ich da Ihre unterschwellige Sympathie für Zugangsbeschränkungen heraus?
Es gibt eine große Bandbreite mÖglicher Verfahren. Wir haben schon jetzt Zugangsregelungen – etwa die Aufnahmeprüfungen an den Fachhochschulen und bei den Kunst-Studien.
Das geht bis zu einem mehrstufigen Aufnahmeverfahren mit Bewerbungsgespräch an der Veterinärmedizin. Ich halte es nicht für zielführend, ein bestimmtes Modell für alle zwingend vorzugeben. Dafür sind die Universitäten zu unterschiedlich.
Jetzt sehen wir an den FHs, dass selbst ein niedriges Betreuungsverhältnis nicht automatisch für mehr Qualität sorgt. Eine Beschränkung der Studierendenzahl ist also auch nicht die LÖsung für alle Probleme.
Ohne Zugangsregelungen werden wir nicht auskommen – in überfüllten HÖrsälen, wenn Studenten oft schon am Gang sitzen müssen, kann keine entsprechende Qualität geboten werden. Auch die Einheit von Forschung und Lehre ist da kaum mÖglich, weil die Lehrenden keine Zeit mehr für Forschung haben. Jemand, der in der Forschung sehr versiert ist, kann sich den Lehrstuhl aussuchen und wird nicht an eine Universität gehen, wo er mit Lehre eingedeckt ist, sondern dorthin, wo er kleine Gruppen und Zeit zum Forschen hat.
Wäre mehr Geld eine LÖsung?
Geld ist natürlich wichtig, aber nur mit Geld allein bekommen wir die Probleme bei den Massenstudien nicht in den Griff. Wir wissen ja nicht einmal, wie viele Studierende im nächsten Semester beginnen wollen und kÖnnen daher auch nicht mit mehr Professoren auf steigende Studierendenzahlen reagieren.
Jetzt gibt es zwei MÖglichketen, dieses Problem zu lÖsen: Aufnahmeprüfungen, die sich nach der Leistung der Bewerber richten auf der einen und Studiengebühren auf der anderen Seite. Was ziehen sie vor?
Die Studienbeiträge haben in Österreich niemanden vom Studieren abgehalten. Dafür haben wir ein funktionierendes Stipendiensystem. Wir sehen an den Fachhochschulen, dass dort die soziale Durchmischung weit besser ist, als an den Universitäten. Also die Beiträge dienen nicht dazu, den Zugang zu regulieren.
Aber die Studenten fordern: Weder Studiengebühren noch Zugangsbeschränkungen. Beides halten Sie für nicht gerechtfertigt?
Ich kenne auch viele Studierende die mir Recht geben und sagen, dass Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen zu den Massenstudien notwendig sind. Auch mit den anderen Studierenden, die nicht dieser Meinung sind, eint mich das Ziel, die Studienbedingungen zu verbessern.

Aber es ist doch unbestreitbar, dass die Selektion dann nur verlagert wird. Wer hatte welche Vorbildung auf der AHS, wer hat welches Elternhaus?

Durch Zugangsregelungen findet keine soziale Selektion statt. Ich habe Ihnen das Beispiel der Fachhochschulen genannt, dort haben wir eine weit bessere soziale Durchmischung. Und zwar mit Zugangsbeschränkung und zumindest teilweise mit Studiengebühren.
Die Studenten jammern also über gute Verhältnisse?
Die Medizinstudenten werden Ihnen bestätigen, dass sich die Bedingungen seit Einführung der Aufnahmeprüfungen sehr verbessert haben. Es gibt keine Wartelisten mehr, die Drop-Out-Rate ist von 50 auf 5 Prozent reduziert, die Studierenden studieren fast alle innerhalb der Regelstudienzeit, die Motivation ist hÖher und die Studienleistung besser. Das hÖre ich sowohl von Studierenden, also auch Lehrenden.
Besteht nicht die Gefahr, dass die Universitäten einen Numerus Clausus nach deutschem Vorbild einführen? Der ist mit dem geringsten Aufwand verbunden.
Von einem Numerus Clausus halte ich nicht viel …
… aber wenn Sie es den Universitäten überlassen?
Einen Numerus Clausus wird es in Österreich nicht geben.
Ab wann müssen wir mit der Wiedereinführung der Studiengebühren rechnen?
Ich habe immer gesagt, dass ich Studienbeiträge für sinnvoll halte, aber ich sehe im Moment nicht die notwendige politische Mehrheit dafür. Deshalb ist es kein Thema. Da gibt es wichtigeres, wie die Umsetzung der Bolognastruktur, der ich mich aktuell widme.
Vielen Dank für das Gespräch.
Beatrix Karl, seit Jänner 2010 Ministerin für Wissenschaft und Forschung. Zuvor Generalsekretärin des ÖAAB. An der Karl-Franzens-Universität Graz lehrte sie seit 2003 als außerordentliche Universitätsprofessorin am Institut für Arbeits- und Sozialrecht. 2006 bis 2010 war sie für die ÖVP im Nationalrat.